Samstag, 1. Mai 2010

Lassen wir das fossile Zeitalter endlich hinter uns!

 
 Foto: Financial Times Deutschland

Im April 2007 sackte an der Anlegestelle der Reederei Riedel ein Teil der Kanalufermauer ab. Das offenbarte einer breiten Öffentlichkeit, was die Behörden schon seit langem wussten: Große Teile der Kanalmauer, die durch natürliche Verwitterung des Uferunterbaus bereits geschwächt waren wurden durch die erhebliche Zunahme des motorisierten Fahrgast-Schiffsverkehrs kaputt gefahren. Statt die verantwortlichen Reeder zur Rechenschaft zu ziehen, reagierte das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin mit der Ankündigung, sofort 200 Bäume wegen angeblicher „Gefahr im Verzug“ zu fällen. Darüber hinaus wurde im Zuge einer geplanten Sanierung weiterer Kahlschlag entlang des gesamten Ufers angekündigt. Alarmiert von Nachbarn bildete sich spontan eine Bürgerinitiative, die unter anderem durch die Sammlung von mehr als 20.000 Protestunterschriften erreichen konnte, dass nur wenige Bäume den Kettensägen zum Opfer fielen. Einige Verantwortliche aus der Schifffahrtsverwaltung mussten ihre Stellen räumen. 

Überrascht von der Dimension des Widerstands aus der Bevölkerung erklärte sich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zunächst bereit, die Frage der Kanalsanierung im Rahmen eines Mediationsverfahrens zu diskutieren. Verschiedene Interessengruppen und Verwaltungsstellen sowie einige handverlesene Bürger wurden beteiligt. Durch geschicktes Taktieren und Ausgrenzen kritischer Stimmen erreichte das Amt, dass sehr bald von einer ganzheitlichen und umfassenden Kanalsanierung keine Rede mehr war. Vielmehr verwickelte man die Bürgervertreter in Diskussionen um technische Details von provisorischen Sicherungs- und Baumpflegemaßnahmen, die letztlich vor allem den weiteren reibungslosen Ablauf der konventionellen Fahrgastschifffahrt sichern sollte. Ein angekündigter Kriterienkatalog zur nachhaltigen Sanierung blieb so vage und denkmalschutzlastig, dass das Hauptinteresse der Reeder: die Laufzeiten ihrer alten Dieselschiffe - der eigentlichen Kanalzerstörer - möglichst lange auszureizen zu keiner Zeit ernsthaft gefährdet war.

…und gestalten wir jetzt die Zukunft!

Tatsache ist, dass es längst emissionsfreie Alternativen zur Mobilität des im wahrsten Sinne des Wortes "untergehenden" Erdölzeitalters gibt – und zwar auch auf dem Wasser. Die Konservierung der Dieselschifffahrt ist deshalb genauso sinnlos und schädlich, wie der Versuch, durch verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken den Weg ins solare Zeitalter und in konsequent an Naturkreisläufen orientierte Wirtschaftsformen zu verzögern. Zur Mobilität aus regenerativen Energiequellen gibt es nach unserer Überzeugung überhaupt keine Alternative. Je schneller wir uns von den Dinosauriern des fossilen Zeitalters trennen desto besser für uns, unsere Umwelt und für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung. Die durch das Sinken der Bohrinsel "Deepwater horizon" ausgelöste Ölpest im Golf von Mexiko erinnert uns daran, dass auch die Nutzung von Erdöl mit Risiken von katastrophalem Ausmaß verbunden ist. 

Wir alle sind gefordert 

Die weltweite Wirtschaftskrise, die nicht nur eine Finanzkrise und eine ökologische Krise ist, sondern auch eine Krise der Politik, der bislang immer noch der Mut fehlt, entschlossene Schritte in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu gehen verlangt unsere Einmischung. Bisher wird weitgehend Besitzstandswahrung und Konservierung betrieben. Was das Festhalten an der Atomenergie und die Stützung von Überkapazitäten in der Autoindustrie auf Bundesebene ist spiegelt sich in Berlin im Autobahnneubau, der immer raffgierigeren Vermarktung von Grundstücken und Wohnhäusern, dem Kahlschlag an wertvollem Baumbestand und nicht zuletzt auch in einer konzeptlosen Sanierung des Landwehrkanals wider. Deshalb sind wir alle gefordert, öffentlich Druck auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben und selber unsere Ideen und Visionen von einer besseren Stadt in einer besseren Welt zu entwickeln. 

 Foto: Jan Gessler

Mit der Paddelparade demonstriert das Aktionsbündnis "Landwehrkanal für Alle!" in diesem Jahr zum dritten Mal für eine Stadtentwicklung, die dem globalen Ziel einer menschen- und umweltgerechten kurz: einer zukunftsfähigen Entwicklung verpflichtet ist. 

Das Aktionsbündnis fordert konkret ein ganzheitliches städtebauliches Sanierungskonzept für den Kanal, welches unter anderem folgende Aspekte beinhaltet: 

  • Vorrang für emissionsfreie Verkehrsmittel auf dem Kanal und entlang des Kanals 
  • Verbesserung von Aufenthaltsqualität und Erholungsmöglichkeiten am Kanal 
  • Verbesserung der ökologischen Funktion des Kanals und als städtischer Naturerlebnisraum 
  • kreuzungsfreie Fuß- und Radwege auf beiden Kanalseiten 
  • Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität 
  • barrierefreie Zugänglichkeit von Ufer und Anlegestellen für Gehbehinderte 

Wir fordern das Land Berlin auf, zeitgleich mit der Entwicklung des Tempelhofer Volksparks die Entwicklung eines städtebaulichen Konzepts für den Landwehrkanal einzuleiten, welches diesen Ansprüchen gerecht wird. Bis zur Einleitung des Verfahrens sollen provisorische Sicherungsmaßnahmen so durchgeführt werden, dass Natur und Erholungsnutzung möglichst wenig beeinträchtigt werden. In den Schleusenbereichen sollen dynamische Schadstoffmessungen durchgeführt werden. 

Kommt am 3. Juli zur Paddelparade und bringt eure Freunde und Familien mit! Treffpunkt: Urbanhafen 13 Uhr

beteiligen, mitbestimmen, berlin verändern!